Sehr geehrter Bürgermeister Kersting,
meine Damen und Herren unserer Stadtverwaltung,
liebe Kolleginnen und Kollegen,
alljährlich veröffentlicht die Gesellschaft für deutsche Sprache das „Wort des Jahres“. Ausgewählt werden regelmäßig Wörter und Ausdrücke, die für das politische und gesellschaftliche Geschehen des betreffenden Jahres besonders prägend waren. Am Freitag wurde bekannt, dass für das Jahr 2024 der Begriff „Ampel-Aus“ ganz vorn liegt. Er beschreibt das Ende der Regierungskoalition in Berlin. Hätte man die Bürgerinnen und Bürger von Süßen gefragt, hätten vermutlich Wörter wie „Baustelle“, „Umleitung“ oder „Verkehrschaos“ das Rennen gemacht.
Tatsächlich haben Verwaltung und Gemeinderat unseren Bürgerinnen und Bürgern dieses Jahr viel zugemutet. Und tun es noch. Erst war die Tobelkreuzung wegen des Umbaus gesperrt, jetzt ist es die Löwenkreuzung. Die Erneuerung der Mühlkanalbrücke hat eine wichtige Ortsverbindung lange blockiert. Und mit der Sanierung der Heidenheimer Straße sind die Einwohner der Vorstadt vom Zentrum so gut wie abgeschnitten. Hinzu kommen noch ungeplante kleinere Grabungen wie in der Barbarossastraße, die den Verkehr behindern.
Zu den Baustellen, die für etwas Verdruss sorgen, gehört auch der Schulcampus, bei dem die Kosten nach oben gehen. Und das Hallenbad, dessen Wiedereröffnung immer wieder nach hinten verschoben werden musste. Bleibt zu hoffen, dass sich Ähnliches bei der 2025 anstehenden Umgestaltung der Primarstufe im Schulverbund und dem dann 2026 folgenden Neubau der Bizethalle nicht wiederholt.
Um es klar zu sagen: Wir stehen zu den Baumaßnahmen, die unsere in die Jahre gekommene Infrastruktur ertüchtigen, die unseren Schulen und Vereinen ein modernes Umfeld bieten und die sichere Verkehrswege für alle schaffen. Dennoch: Die Akzeptanz für notwendige Maßnahmen würde wachsen, wenn die Abstimmungen zwischen Verwaltung, Landkreisbehörden und Bauunternehmen besser wären. Und wenn erwartbare Belastungen und Beschränkungen rechtzeitig und unmissverständlich kommuniziert würden.
Belastungen fair verteilen
Es sind nicht nur die beschriebenen Baustellen, die unseren Haushalt 2025 mit Rekordauszahlungen für Investitionen belasten werden. Es sind auch wachsende Personalaufwendungen, Unterhaltskosten und Abschreibungen. Für den Bau unserer neuen Klinik braucht auch der Kreis mehr Geld und bittet uns über eine gestiegene Kreisumlage zur Kasse. Unsere Rücklagen schwinden, die Liquidität bleibt wie schon im Vorjahr auf geringem Niveau, der Schuldenstand steigt.
Das Bauen und Investieren lässt den Süßener Haushalt selbst zur Baustelle werden: In ihm klafft 2025 ein ordentliches Loch. Unsere Stadtkämmerin erwartet ein negatives ordentliches Ergebnis von rund 500.000 Euro. Mit dem Flicken des Haushaltsloch hat der gemeinderätliche Bautrupp schon begonnen. Und als erstes bei denen angefangen, die sich am wenigsten wehren können und die keine Lobby haben: bei den Mieterinnen und Mietern unserer städtischen Wohnungen. Natürlich waren die Mieten lange Zeit niedrig, aber einen Anstieg um 20 Prozent halten wir für nicht verhältnismäßig. Bei der Diskussion um die Gewerbesteuer wurde dagegen im Gremium wortreich auf die hohen Belastungen der Betriebe hingewiesen – und eine Anhebung abgelehnt. Schwierigkeiten in der Wirtschaft gibt es, aber nicht wegen zu hoher Gewerbesteuersätze. Steuern werden nur auf Gewinne bezahlt, es gibt Freibeträge und die Steuern können zudem mit anderen steuerlichen Belastungen verrechnet werden.
Hinzukommt: Von Schulen und Kindergärten, von Sportstätten und Straßen, die wir bauen und sanieren, profitieren gerade auch Firmen, deren größtes Problem heute der Mangel an qualifizierten Mitarbeitern ist. Fachkräfte zieht es in intakte und attraktive Städte. Wenn das Geld für kommunale Aufgaben fehlt, sollten alle einen angemessenen Beitrag leisten, stärkere Schultern mehr als schwache tragen. Wer wie die Gemeinderatsmehrheit auf Steuereinnahmen verzichtet, muss bitte schön auch sagen, wo das Geld für das Loch in der „Baustelle Haushalt“ herkommen soll.
Wohnraum für alle schaffen
Mehr Baustellen würden wir gerne sehen, wenn es um bezahlbaren Wohnraum geht. Die Entwicklungen im Wohnungsbau der letzten Jahre sind ernüchternd. Es sind nur wenige, die sich unsere (teuren) Bauplätze in den Rabenwiesen leisten können. Was fehlt ist Wohnraum für Normal- und Geringverdiener, zum Kaufen wie zum Mieten. Trotz wieder fallender Zinsen können sich viele junge Familien ein Eigenheim nicht leisten, auch weil Grundstücks- und Immobilienpreise sich weiter auf hohem Niveau bewegen. Die Marktbedingungen, insbesondere die hohen Baukosten, sorgen leider dafür, dass sich im Geschosswohnungsbau vor Ort kaum etwas tut. In den Vorderen Hornwiesen sind die Investoren für geplante Mehrfamilienhäuser einer nach dem anderen abgesprungen. Auch in den Rabenwiesen, wo wir uns mit breiter Unterstützung aus dem Gemeinderat für verdichtetes Bauen eingesetzt haben, bleiben die dafür reservierten Grundstücke frei. Die Verwaltung hegt die Hoffnung, dass sich die Marktlage ab 2026 bessert und sich dann interessierte Bauträger finden. Wir hoffen mit! Wir fordern aber auch, dass sich die Verwaltung Gedanken macht, wie wir zumindest den Bau von Reihenhäusern und Kettenhäusern in den Rabenwiesen zeitnah voranbringen. Wir können uns nicht vorstellen, dass es in ganz Deutschland keine guten Beispiele dafür gibt, wie man das Bauen und Wohnen für junge Familien wie auch für Ältere mit kleineren Budgets erschwinglicher machen kann. Übrigens: In Salach kümmert man sich aktiv auch um die vielen leerstehenden Wohnungen. Dort wurde ein Gutachten in Auftrag gegeben, das Potentiale aufzeigt. In Süßen gibt es beim Leerstandsmanagement dagegen Fehlanzeige. Man will oder kann es nicht, wie der von uns beantragte Bericht 2019 gezeigt hat.
Radfahren sicherer und attraktiver machen
Wir bedauern, dass wir heute wieder die mangelnde Umsetzung von Haushalts- und Gemeinderatsbeschlüssen ansprechen müssen.
Im Mai letzten Jahres hat der Gemeinderat mit großer Mehrheit ein Radverkehrskonzept beschlossen. Bei den Haushaltsberatungen davor hatte das Gremium auch festgelegt, jährlich 50.000 Euro für die Verbesserung der Radverkehrsinfrastruktur aufzuwenden. Passiert ist seitdem nicht viel. Sicher: Der Rückbau der B10, der Kreisverkehr an der Tobelkreuzung und die Neugestaltung der Heidenheimer Straße sind wichtige Bausteine, um auch das Radfahren sicherer und attraktiver zu gestalten.
Darüber hinaus zeigt das Radverkehrskonzept aber noch viele Einzelmaßnahmen auf, die rasch umgesetzt werden könnten. Manche kosten nicht mal sehr viel Geld. Tempo 30 in der Bühlstraße sowie Fahrradstraßen in der Lange Straße, der Hochstraße und in der Barbarossastraße müssen nicht auf die lange Bank geschoben werden, weil sie den arg strapazierten Haushalt noch mehr belasten. Die Antworten der Verwaltung auf unsere Fragen zur Radverkehrsförderung genügen uns nicht. Wir wollen, dass das Bauamt die Maßnahmen angeht, die das vom Gemeinderat beschlossene Radverkehrskonzept als dringlich ansieht. Sonst müssen wir hier keine Beschlüsse mehr fassen.
Besser umgesetzt wird ein Beschluss des Gemeinderats, was die Pflanzung von Bäumen und damit verbunden die Verbesserung des Stadtklimas angeht. Es ist dem Einsatz unserer Natur- und Umweltschutzbeauftragten Frau Krause zu verdanken, dass wir hier vorankommen, wenn auch aus unserer Sicht zu langsam. Aber es ist ein Skandal, dass wir an der Stuttgarter Straße wegen des Rückbaus der alten B 10 die Rodung dutzender Bäume hinnehmen mussten, die Straßenverkehrsbehörde aber kaum Neupflanzungen plant. Wir bitten Sie, Herr Kersting, sich beim Regierungspräsidium dafür einzusetzen, dass dieser Unfug korrigiert wird.
Ehrenamt und sozialen Zusammenhalt stärken
Die SPD-Fraktion hält sich mit kostenträchtigen Anträgen für das schwierige Haushaltsjahr 2025 zurück. Einen Antrag, der auf eine interfraktionelle Initiative zurückgeht, möchten wir – wie die CDU – heute aber doch stellen.
Dabei geht es um die Dauerbaustelle „Kunstrasenplatz am Sportgelände“ an der Lauter. Wir haben uns davon überzeugt, dass der sandverfüllte Platz so nicht bespielbar ist. Eine Nachverfüllung mit Kork halten wir für richtig, die überschaubaren Mittel sind für unseren VfR gut investiert.
Dort wie in allen unseren Vereinen, in sozialen Organisationen und in unseren Kirchengemeinden wird jeden Tag mit großem Einsatz im Ehrenamt für den Zusammenhalt unserer Gemeinschaft gearbeitet. Dieses Engagement ist mit Geld nicht aufzuwiegen. Diese Aktivitäten zu stärken und ihnen Entwicklungsmöglichkeiten zu geben, muss auch in Zeiten klammer Kassen die Aufgabe unseres Gemeinderats bleiben.
Zusammenhalten – um das geht es. Denn wir leben in unsicheren Zeiten. Kriege mitten in Europa und weltweite Krisen bedrohen auch unsere Sicherheit und unseren Wohlstand. In vielen Ländern ist die Demokratie durch autoritäre Regierungen und Despoten bedroht.
Die deutsche Wirtschaft dümpelt vor hin, der notwendige Strukturwandel in der Industrie kommt nicht voran, Arbeitsplätze sind massiv bedroht. Die sich anbahnende Klimakatastrophe gerät zudem völlig aus dem Blick. Dabei wird sie alles in Schatten stellen, was wir an Krisenphänomenen kennen, wenn weiter so wenig passiert.
Das alles verunsichert die Menschen auch in unserer Stadt. Die Sehnsucht nach einfachen Lösungen und Konzepten ist groß und der Nährboden für Populisten und Radikale. Wir alle erleben zudem eine zunehmende Aggressivität und Intoleranz der Menschen im Alltag.
Dagegen zu halten – das ist unsere gemeinsame Baustelle.
Namens der SPD-Fraktion danke ich Ihnen, Herr Bürgermeister Kersting, den Amtsleiterinnen und Amtsleitern sowie alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter unserer Stadtverwaltung für Ihren Einsatz. Vielen Dank auch den Kolleginnen und Kollegen im Gemeinderat für die guten Diskussionen. Dass wir bei allen Differenzen einen ordentlichen Umgang miteinander pflegen, ist nicht selbstverständlich.
Zu Schluss geht unser Dank an alle Bürgerinnen und Bürger, die sich außerhalb von Rathaus und Sitzungssaal für ein gutes Miteinander, für den Zusammenhalt in unserer Stadt einbringen. Sie sind das Fundament, auf das wir auch in Zukunft bauen.